Ohrringe schießen – welche Qualifikation ist dafür nötig?

Egal ob in den großen Einkaufscentern oder -Passagen, egal ob in München oder einer anderen beliebigen Großstadt. Die großen (Schmuck-) Ketten haben das Ohrring schießen bzw. „piercen“ für sich entdeckt.

Man findet dort nicht nur billigsten Modeschmuck überwiegend aus Asien, sondern als neuesten Clou gibt es das Ohrloch stechen bzw. Piercing gleich noch gratis mit dazu.

Ich dachte ich sehe nicht richtig: Ohrringe schießen beim Kleinkind / Säugling

Gestern bin ich zufällig in einer großen Einkaufspassage in München an so einem Geschäft vorbeigekommen und wurde Zeuge, wie gerade ein Kleinkind seine Ohrringe bekam. Den Namen der Kette schreibe ich übrigens hier nicht. Er spielt auch keine Rolle, weil sich ähnliche Szenen ja immer wieder in solchen Geschäften abspielen. Irgendwoher müssen die ganzen Ohrringe bei Kleinkindern ja kommen…

Ich hätte das Alter des Kindes auf vielleicht 2-3 Jahre geschätzt. Maximal. Auf jeden Fall deutlich zu jung um überhaupt zu verstehen, was da gerade vor sich geht.

Gibt es in diesen Geschäften auch nur ein Handwaschbecken? Ich habe keines gesehen. Die Mitarbeiterin die kurz zuvor noch eine andere Kundin abkassiert und mit ihrer Hand Kontakt mit Bargeld hatte, griff nun in eine Spenderbox für Handschuhe.

Diese Handschuhe haben mit „Steril“ nichts zu tun, gaukeln aber dem Kunden eine gewisse Seriösität und Hygiene vor.

Mittels eines Kartuschensystems wurde nun das Ohr vom Kleinkind durchbohrt. Natürlich fing es sofort gellend zu schreien / weinen an, denn es war deutlich zu klein um zu verstehen was da gerade vor sich geht.

Die Eltern versuchten das Kind zu beruhigen, während die sichtlich überforderte Verkäuferin beim zappelnden Kind versuchte, das zweite Ohrloch zu stechen.

Ich bin an dieser Stelle weiter gegangen, weil mir – als Vater eines kleinen Mädchens – das Herz geblutet hat.

Warum macht man so etwas? Kommt irgendjemand auf die Idee ein Kleinkind tätowieren zu lassen, nur weil der Papa Tattoos cool findet? Natürlich nicht. Wie zur Hölle kommt man dann auf die Idee, ein Kind welches sich noch nicht einmal artikulieren kann mit einer Nadel zu durchbohren und ihm Ohrringe zu verpassen? Noch dazu in einem Alter, in dem das Ohr noch um ein vielfaches wächst und es alleine schon aus diesem Grund eine richtig beschissene Idee ist?

Um das klarzustellen: Ich rede hier nicht von kleinen Kindern, die den Eltern klar mitteilen dass sie Ohrringe gestochen haben möchten. Die gesetzliche Vorgabe ist da eigentlich klar: sieben Jahre. Wenn es die kleine Prinzession schon zur Einschulung haben will? So what, man muss ja nicht päpstlicher sein als der Papst. So lange sie (oder er) selber artikuliert dass Ohrringe stechen gewünscht ist, habe ich da zumindest kein moralisches Problem.

Ohrlöcher für Ohrringe für Kinder in München stechen lassen

Qualifikation? Oftmals mangelhaft bis gar nicht vorhanden

Unabhängig davon, dass wir bei uns im Studio keine Kleinkinder durchbohren fragte ich mich, welche Qualifikation man in so einem Geschäft eigentlich braucht. Wie wird das Personal in Sachen Piercing geschult? Was kann es machen, wenn sich einmal ein Piercing bzw. Ohrloch entzündet?

Im Internet findet man diese Frage tatsächlich öfter. Und zugleich die Antworten, dass eine entsprechende Schulung quasi nicht existiert. Man bekommt wohl ein Gummiohr an dem man etwas üben kann. Fertig.

Während bei Tattoo- und Piercingstudios regelmäßig das Gesundheitsamt im Studio steht und die Einhaltung der Hygiene überwacht, interessiert das bei Juwelieren, Schmuckhändlern etc. schlicht und ergreifend niemanden. Selbiges gilt für die Qualifikation des Personals.

Vielen Kunden ist es offensichtlich egal, schließlich ist es – vermeintlich – billig. Wer den Schmuck kauft, bekommt das Loch meist Gratis mit dazu. Ein scheinbar sehr verlockendes Angebot.

Letztlich entscheidet natürlich der Kunde, ob er sich lieber in einem Piercingstudio oder in einem Schmuckgeschäft piercen lässt. Alles nicht so tragisch.

Aber warum bei dieser Art von Geschäften sich niemand für die Qualifikation vom Personal oder wenigstens um die Einhaltung minimaler Hygienestandards zuständig fühlt, ist mir ein Rätsel.