Die Rückkehr der schlechten Tattoos
Rund um das Thema „Tattoos“ hat sich in den letzten Jahren unfassbar viel getan, was man noch vor wenigen Jahren für vermutlich unmöglich gehalten hätte. Aus einer „Szene“ ist eine Industrie geworden. Tätowierer sind inzwischen gefeierte Rockstars und haben hunderttausende oder mehr Follower und Fans.
Sie jetten um den ganzen Erdball von Messe zu Messe und haben zum Teil mehr Sponsoren als Formel1-Fahrer. Im Fernsehen gibt es inzwischen nahezu ebenso viel Tattoo-TV-Formate wie Seifenopern. Ok, letzteres war etwas übertrieben.
Enormer Qualitätssprung bei Tattoos vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten
Dass verdanken wir nicht nur der Tatsache dass kaum mehr ein Musiker, Meisterkoch oder Spitzensportler ohne Tätowierungen auskommt, sondern vor allem auch dass Tattoos einen enormen Qualitätssprung gemacht haben. Insbesondere in den letzten beiden Jahrzehnten hat sich die Qualität noch einmal enorm gesteigert.
Material und ausführende Tätowierer sind immer besser geworden und atemberaubende Kunstwerke sind heutzutage eher die Regel als die Ausnahme. Soweit – so gut.
Doch wie es so oft ist im Leben – wo viel Licht ist, kommt auch immer mehr Schatten
Obwohl das Qualitätslevel der guten Tätowierer in den letzten Jahren immer höher geworden ist und obwohl es immer mehr wirklich gute Tätowierer gibt, sehen wir in den letzten Monaten verstärkt wieder schlecht gestochene, ziemlich frische Tattoos.
Wir dachten eigentlich sie wären ausgestorben, aber sie erleben gerade eine unglaubliche Renaissance.
Meist verbunden mit der Bitte nach „nachstechen / reparieren“ – was oftmals nicht möglich ist. Oder dann gleich einem Cover-Up-Tattoo. Größer als die Probleme beim überstechen sind oftmals nur noch die Augen beim Kunden, wenn sie den Preis dafür hören.
Schließlich wäre das ursprüngliche Tattoo deutlich billiger gewesen… ja, das sieht man halt leider auch.
Was ist passiert?
Home-Tätowierer, Online-Kurse zum tätowieren lernen, Youtube-Tutorials
Die Anzahl der Home-Tätowierer hat deutlich zugenommen. Youtube-Tutorials zum Tätowieren und Online-Tattoo-Kurse signalisieren den Leuten, dass man das Tattoo stechen heutzutage auch locker daheim lernen kann. Was ich für ziemlichen Bullshit halte und sehr viele sehr gute Tätowierer sehen das übrigens genau so.
Willige Übungsopfer finden die angehenden Online-Tätowierer auch ohne größere Probleme, denn wenn es ein Tattoo umsonst oder vermeintlich günstig gibt, dann setzt man sich da gerne hin. Wird schon schief gehen – und wenn nicht, dann kann man das Tattoo ja locker weglasern oder mit einem Cover-Up-Tattoo überstechen lassen, so scheinbar die Denkweise.
Was oftmals gar nicht möglich und falls doch, zumindest sehr teuer ist. Deutlich teurer als das gesparte Geld.
Bietet jemand an, Tattoos umsonst oder gegen Materialgeld zu stechen, gibt es auf Tiktok dafür gerne mal tausende likes und hunderte, die sich dort unter die Nadel legen würden.
Egal wie zittrig und ausgefranst die Linien auch sein mögen.
Ich bin ehrlich: Ich verstehe das nicht
Ja, die Zeiten sind härter geworden und viele Leute haben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung wie noch vor ein paar Jahren.
Aber das ist doch kein Grund, sich aus falscher Sparsamkeit mit etwas unauslöschlichem für den Rest seines Lebens verunstalten zu lassen. Und das schreibe ich nicht als Tattoostudio-Besitzer, sondern als Tattoo-Liebhaber.
Es ist jetzt bald 30 Jahre her, dass ich mein erstes Tattoo in München bekommen habe. Billig war der Tätowierer nicht und von Freunden wusste ich, dass es billigere gibt. Ich wollte aber zum – meiner Meinung nach – Besten.
Der hat zwar in der Stunde 50 Mark (lang ist´s her…) mehr verlangt als die anderen. Viel Geld zur damaligen Zeit für einen jungen Azubi. Aber dafür sahen seine Tattoos halt auch einfach geiler aus, als die von den anderen.
Vielleicht hätte ich mir auf meine ersten Tattoos insgesamt 500 Mark sparen können, nach heutiger Währung rund 250,- Euro.
Was hätten diese 250,- Euro in meinem Leben verändert? Rückwirkend betrachtet: Gar nichts.
Aber ich müsste mir seit fast 30 Jahren Tattoos an meinem Körper anschauen, mit denen ich nicht zu 100% zufrieden oder glücklich bin. Für – auf die Zeit gerechnet – nicht einmal einen gesparten Euro im Monat. Ein schlechter Deal
Wer bei der Qualität bei Tätowierungen spart, spart definitiv am falschen Ende.