Tätowieren am Fließband? KI- Roboter greifen zur Tattoo – Nadel
Ein KI – Roboter tätowiert – präzise, nahezu schmerzfrei, pixelgenau. Was für manche wie Science-Fiction klingt, ist seit kurzem Realität: In einem äußerst bekannten New Yorker Tattoostudio sticht die von künstlicher Intelligenz gesteuerte Maschine „Aero“ die ersten Tattoos auf echte Haut. Entwickelt vom US-Start-up Blackdot, soll Aero laut Herstellern das Tätowieren revolutionieren.
Wie auch schon das Tätowieren unter Vollnarkose – unlängst gab es hierbei übrigens den ersten Todesfall zu beklagen – kommt auch dieser Trend aus Amerika. Das Tätowieren der Motive soll leiser, schmerzarmer und sicherer sein.
Eine Frage muss an dieser Stelle jedoch erlaubt sein: Aber zu welchem Preis?
Tattoo ohne Tätowierer – nur noch Design und Maschine?
Die Tattoomaschine analysiert die Haut mit Kameras, richtet sich automatisch aus und setzt ein digitales Design millimetergenau in Form von Tausenden winziger Punkten um. Das klingt zugegebenermaßen extrem beeindruckend – technisch gesehen. Doch was bleibt von der Kunst, wenn alles standardisiert wird? Wenn zwischen Idee und Haut kein Dialog, keine Intuition, keine lebendige Interaktion mehr steht?
Ein Tattoo ist doch so viel mehr als nur Tinte in der Haut. Oder?
Ein Tattoo ist weit mehr als nur eine exakte Linie oder ein perfekt gestochenes Moiv. Zumindest für uns und speziell in diesem Falle auch für mich als Verfasser. Es ist das Ergebnis eines Gesprächs, eines Moments, eines gemeinsamen kreativen Prozesses zwischen Mensch und Mensch. Zwischen Kunde und Tätowierer. Es ist die Stimmlage, wenn jemand seine Geschichte oder die Bedeutung hinter dem Tattoo erzählt. Es ist der Blick und das Gespür des Tätowierers, der Nuancen erkennt, die keine KI je wird spüren können.
Maschine statt Seele?
Ein Roboter kann kein Gefühl für Hautstruktur, Körperform oder emotionale Bedeutung entwickeln. Er tätowiert, was ihm gegeben wird – nicht, was zwischenmenschlich entsteht.
Er kann nicht spüren, wann ein Kunde nervös ist, wann eine Pause nötig wäre oder ob das Motiv an einer anderen Stelle vielleicht doch besser passt. Oder ob man sich das Motiv vielleicht noch einmal 1-2 Monate besser überlegen sollte.
Selbst wenn Aero schmerzfreier arbeitet – wollen wir uns wirklich von Maschinen berühren lassen, wenn es um etwas so Intimes wie ein Tattoo geht? Wo bleibt die Seele des Handwerks? Wo bleibt das Unperfekte, das Persönliche, das Menschliche?
Ein Werkzeug, kein Ersatz
Wir sind nicht grundsätzlich gegen Fortschritt und auch nicht gegen KI. Auch bei uns im Tempel München arbeiten wir mit modernster Technik – aber immer als Unterstützung, nie als Ersatz.
Einige ganz Oldschool-Tätowierer lehnen sowohl Rotary-Maschinen als auch Stencil-Kopierer ab. Wir nutzen diese. Ebenso wie – je nach Tätowierer – ein IPad oder Grafiktablett zum zeichnen. Wir finden es auch nicht verwerflich, wenn ein Kunde sich erste Gedanken wie KI visualisiert – auf diesem Weg bekommt er zwar keinen Entwurf von einem Künstler aus Fleisch und Blut, aber deutlich individuellere Ergebnisse als über die Google-Bildersuche, Instagram oder Pinterest. Für den finalen Schliff und das ganze tätowierbar zu machen, ist ja dann noch immer der Künstler des Vertrauens zuständig.
Den sich viele vorab schon aussuchen – weil ihnen die “Handschrift” bzw. Stilrichtung des Künstlers gefällt.
Gegen Technik beim Tattoo haben wir nichts. Doch ein vollautomatisiertes Tätowieren sehen wir skeptisch. Denn ein Tattoo ist keine industrielle Dienstleistung. Es ist Kunst auf Haut.